Marokko – Wir vertrauen erfolgreich
Da standen wir.
Im marokkanischen Atlasgebirge, eingeschlossen von 2 Brücken, die vom Regen der letzten Tage überflutet waren.
Warum? Weil wir wieder einmal auf der Suche waren?
Wonach? Nach außergewöhnlichen Menschen, orientalischen Orten und märchenhaften Geschichten.
Vor der überfluteten Brücke hieß es aber erst einmal: Ruhe bewahren.
Die hinter uns liegende Brücke haben wir nur mit etwas Glück überquert. Umdrehen war daher erst einmal keine Option. Für uns hieß es: Wassermengen und Fließgeschwindigkeit abschätzen, beobachten und abwarten.
Auf unseren Reisen durch den Norden Afrikas haben wir viel gesehen: die Härte der Wüste in Mauretanien, buntes und lebendiges Miteinander im Senegal, zauberhafte Menschen und Landschaften in Marokko.
Für unseren Rückweg durch Marokko wählten wir die Route durch die Gebirge und wurden mit traumhaften Ausblicken belohnt. Aus dem Süden, mit seinen Wüstenlandschaften kommend, erreichten wir die ersten Höhen den Antiatlas.
Der nördlich davon liegende Hohe Atlas erstreckt sich von der Atlantikküste bis weit nach Algerien.
Hier befindet sich der Djebel Toubkal der, mit über 4100 Metern, der höchste Berg des Atlasgebirges ist.
Im weiter nordöstlich liegenden Mittleren Atlas liegt die Stadt Fes.
Das Rif Gebirge ist das nördlichste Gebirge Marokkos und reicht bis an die Mittelmeerküste.
An den westlichen Ausläufern des Antiatlas haben wir den Campingplatz Valley Abaynou durch Zufall gefunden. Er war noch nicht einmal fertig, als er wegen Corona wieder schließen musste.
Moussa und Yassin, zwei marokkanische Männer, bauen ihn nun in mühevoller Handarbeit wieder auf. Hier haben wir einmal mehr marokkanische Herzlichkeit erlebt.
Nach und nach ließen wir die Wüstenlandschaft mit ihren Oasen hinter uns und fuhren durch die Schluchten des Dades Tals im Hohen Atlas und nachFes.
Fes ist die älteste von vier Königsstädten in Marokko und liegt im Nordosten des Landes.
Ihre Altstadt, auch Medina genannt, ist die Älteste ihrer Art und wurde 1981 von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt. Sie gilt als weltweit größte autofreie Zone. Es nicht erlaubt und auf Grund der engen Gassen auch nicht möglich, sie mit dem Auto zu befahren.
Die Einwohner transportieren ihre Waren daher auf Wagen oder Eseln. In der von einer Stadtmauer eingeschlossenen Altstadt, leben über 100 000 Menschen. Wie in jeder Medina gibt es auch in Fes einen Bazar.
Dieser lebendige Souk ist ein guter Ort zum bummeln, staunen und stöbern nach Andenken, die in der Stadt hergestellt wurden.
Hier machten wir uns auf die Suche nach 5 Orten, welche es in jeder Medina gibt.
Wir starteten am Blauen Tor, dem wohl bekanntesten Eingangstor in die Altstadt. Blau allerdings ist es nur auf einer Seite. Verlässt man die Medina durch dieses Tor, sieht es grün aus. Mit diesen beiden Farben verbindet es Fes – materiell und geistig – durch seine traditionell blauen Keramikprodukte und der traditionellen grünen Farbe des Islam.
Obwohl wir den ersten gesuchten Ort beim Betreten der Medina bereits gesehen hatten, überwältigten uns erst einmal orientalische Gerüche, bunte Waren und Händler, die diese laut anpriesen.
Unsere Augen, Ohren und Nasen brauchten Zeit, um sich an all diese Eindrücke zu gewöhnen.
Wir tauchten ein in eine neue Welt und ließen uns treiben. Vorbei an bunten Teppichen und traditionellen Kleidern, an handgemachten Lederwaren und getöpferten Keramikschüsseln.
Wir haben dem Schmied bei seiner Arbeit zugeschaut, dem Schuster gewunken und mit dem Monteur in der Werkstatt geplaudert.
Aber Stop! War das eine gute Idee?
Wir wollten doch 5 ganz bestimmte Orte finden und waren jetzt schon ziemlich oft abgebogen und weit weg vom Blauen Tor.
Nummer 1 fanden wir leicht. Eine Moschee. Diese war von der Ferne zu sehen und auf direktem Weg vom Eingang aus zu erreichen.
Für den zweiten Ort hielten wir einfach unsere Augen offen.
Ein Brunnen.
Davon gibt es mehr als 60 in der Medina und sie dienen zur Reinigung vor dem Gebet.
Wir liefen nun durch die Gassen und versuchten den Weg zum nächsten Ort zu finden. Dabei sahen wir ziemlich verloren aus. Aber als suchend blickende Touristen, blieben wir nicht lange allein. Redwine, ein junger Marrokaner, sah uns und fragte ob er helfen kann. Wir erzählten ihm von unserem Vorhaben und er bot sich als Führer an. Wir zögerten kurz starteten aber doch, nach kurzer Preisverhandlung, mit ihm in die Tiefen der Medina und zu unserem dritten gesuchten Ort.
Brot wird in jeder Medina frisch gebacken und anschließend an die Verkaufsstände verteilt.
Unser nächster Stopp war also: eine Backstube, mit ihrem alten und in den Boden eingelassenen Ofen.
Weiter ging es durch enge fast leere Gassen und vorbei an spielenden Kindern. Für sie gibt es in jeder Medina eine Schule. Eine Schule war unser Ziel Nummer 4.
Auf unserem Streifzug erzählte Redwine viele interessante Geschichten und erklärte uns die Bedeutung der unterschiedlichen Türbeschläge an den Häusern.
4 Orte, die in jeder Medina zu finden sind, hatten wir nun schon besucht.
Es fehlte noch Ort Nummer 5.
Ein Hammam stand noch auf unserer Liste. Ein traditionelles Badehaus. Hier haben Frauen und Männer getrennte Zeiten. Während die Frauen das Hammam in den Tagesstunden nutzen, haben die Männer in den Morgen- oder Abendstunden, also vor oder nach er Arbeit, Zugang.
Moschee, Brunnen, Backstube, Schule und Dampfbad – 5 Orte, die in jeder Medina zu finden sind, hatten wir besucht.
Wir hatten unser erstes Tagesziel erreicht.
Aber wir hatten noch ein weiteres Ziel.
Wir wollten die Medina nicht ohne ein original Fes Andenken verlassen.
Wir baten Redwine daher, uns den Weg zur alten traditionellen Gerberei zu zeigen.
Schon nach ein paar Metern wurde klar, dass wir ihn durchaus auch ohne ihn und mit unseren Nasen gefunden hätten. Der beißende Geruch aus Brandkalk, Taubenkot und Urin, hang schon weit vor der Gerberei in den schmalen Gassen. Redwine brachte uns noch bis zum Eingang, was uns in diesem Fall den üblichen „Eintrittsobulus“ ersparte. Wir verabschiedeten uns von ihm und waren sehr froh darüber, dass wir ihm vertraut, uns für seine Begleitung entscheiden hatten und seinen Geschichten lauschen durften.
Ausgestattet mit frischen Minzblättern gegen den Geruch, erklommen wir eine Dachterasse, über eine schmale Treppe. Dort bot sich uns ein Blick in eine, für uns unvorstellbare Welt.
Im Hof standen große Becken, gefüllt mit unterschiedlichen Farben.
An den Hauswänden hingen Lamm-, Ziegen-, und Rindsleder zum trocknen. In schwerster Handarbeit wälzten Arbeiter das Leder in der Lauge, damit es weich wird. Andere trennten das Fell von der Haut oder stampften diese in den bunten Becken, um es zu färben. Gefärbt wird das Leder hier noch mit natürlichen Mitteln: blau, rot, gelb mit Indigo, Mohn und Safran.
Wir waren fasziniert aber auch ergriffen von der harten Arbeit, die wir hier sahen.
Wir entschieden uns, nicht direkt in dem angeschlossenen Geschäft der Gerberei ein Andenken zu kaufen sondern in der Medina, in einem der kleinen Läden. Mit Safran gelb gefärbte Schuhe hatten es uns angetan. Nach kurzer Suche und einer ausgeprägten Verhandlungsrunde,
wurden wir stolze Besitzer originaler Latschen aus Fes.
Müde und voller Eindrücke für unsere Sinne reisten wir weiter in die Berge. Es fühlte sich ungewohnt an, nach dem Trubel der Stadt mit seinen bunten Farben, orientalischen Gerüchen und
lauten Geräuschen, einsam auf einem Gipfel des Hohen Atlas zu stehen und die Stille zu genießen.
Aber es wäre nicht Marokko, wenn nicht auch im vermeintlich einsamsten Winkel des Landes, plötzlich ein Mann aus dem Nichts auftaucht. Er stand an unserer Tür und hatte das Kästchen, mit seinen zu verkaufenden Schätzen, bereits geöffnet. Wir lehnten freundlich ab, denn wir hatten das Auto bereits voller Andenken unserer Reise.
Er wirkte nicht glücklich, entfernte sich aber trotzdem vom Auto, setzte sich etwas weiter weg auf einen Stein und schaute gedankenverloren in die Berge.
Damit weckte er nun doch unsere Neugier. Wir stiegen aus und gesellten und zu ihm.
Hassan war sein Name und er kam mit dem Fahrrad, aus einem ca. 10 km entfernten Ort.
Er fuhr die Strecke jeden Tag und hoffte auf Touristen, die ihm ein Souvenir abkaufen. Hassan erzählte uns von seinen 7 Kindern, den weiten Wegen und seinem Leben in den Bergen.
Wir ließen uns seine Schätze zeigen und er erklärte uns, wie er sie in Handarbeit herstellte.
Am Ende hielten wir 2 Andenken, für etwas zu viel Geld, in der Hand. Dafür wiederum, wollte Hassan sich nun bedanken und bat uns, ihm zu folgen. Er führte uns auf einen Berg und hinter ein Gebäude von dem sich uns ein unglaublicher Blick in den Hohen Atlas bot. Diesen Ausblick hätten wir ohne Hassan nie gefunden.
Wir schlossen ihn in unser Herz, verabschiedeten uns und fuhren weiter.
Nach einer stürmischen Nacht, begrüßte uns der nächste Morgen mit Regen.
Das sorgte im Laufe des Tages für Aufregung, da wir nicht nur über die Berge sondern auch durch die Täler mit ihren Brücken mussten. Und hier standen wir nun. An einer überschwemmten Brücke, die für uns nicht passierbar war.
Autos kamen, Menschen schauten, diskutierten, warteten, drehten um oder wagten die Fahrt über die Brücke.
Sollten wir vertrauen und es auch wagen?
Wir fuhren langsam an und bewegten und in Richtung Brücke. Jetzt hieß es mit Gas aber doch vorsichtig durch das Wasser und über die Brücke.
Mit ordentlich Adrenalin im Blut und Herzklopfen erreichten wir die anderes Seite.
In den vergangenen Monaten, auf unserer Reise in die: 50, und was nun?, haben wir gelernt, plötzlich auftauchende Situationen anzunehmen und ihnen mit Ruhe zu begegnen.
Wir haben gelernt uns und unseren Fähigkeiten sowie den Menschen, denen wir begegneten, zu vertrauen; ihren Geschichten zu lauschen und uns magische Orte zeigen zu lassen.
Das aus diesen Erlebnissen entstandene Vertrauen nehmen wir mit und sind gespannt auf kommende Begegnungen, Geschichten und Orte.
Zurück in Europa haben wir nicht nur die orientalische Lebensweise sondern auch die Wüste vermisst.
Und so, haben wir uns direkt in die Nächste begeben.
Aber davon und unserem Abenteuer: Tabernas Wüste, erzählen wir im nächsten Video.
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